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Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)

Gene beeinflussen, wie stark Kaffee vor Diabetes schützt

Potsdam-Rehbrücke. Ergebnisse verschiedener Bevölkerungsstudien lassen annehmen: Wer viel Kaffee trinkt, hat ein vermindertes Typ-2-Diabetes-Risiko. Dies gilt aber anscheinend nicht für alle Menschen in gleicher Weise.

Denn ein europäisches Wissenschaftlerteam hat nun Hinweise darauf gefunden, dass winzige Unterschiede im Erbgut darüber bestimmen, ob eine Person im Hinblick auf das Diabetes-Risiko vom Kaffeetrinken profitiert oder nicht. Das Forscherteam um Alexandros Heraclides, Karina Meidtner und Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) veröffentlichte seine Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Diabetologia (The InterAct Consortium 2016; DOI 10.1007/s00125-016-4090-5).

In der aktuellen Studie werteten die Wissenschaftler Daten von 18.638 Menschen aus, darunter 8.086 Personen, die im Laufe der Studie an Typ-2-Diabetes erkrankten. Ein Ziel der Forscher war es, das Zusammenspiel von bekannten Diabetes-Risiko-Genvarianten und dem Kaffeekonsum in Hinblick auf das Typ-2-Diabetes-Risiko zu untersuchen.

„Über mehrere Diabetes-Gene hinweg konnten wir beobachten, dass Träger genetischer Risikovarianten, welche die Wirkung bestimmter Darmhormone negativ beeinflussen, stärker vom Kaffeegenuss profitieren als Nichtträger. Insbesondere profitierten Träger einer weit verbreiteten TCF7L2-Genvariante*, die mit einem erhöhten Diabetes-Risiko verbunden ist“, sagt Karina Meidtner, die federführend an der Studie gearbeitet hat. Das Gen kodiert ein Eiweißmolekül mit dem Namen transcription factor 7-like 2. Ergebnisse anderer Studien weisen darauf hin, dass das von der Risiko-Genvariante kodierte Molekül die Regulation des Blutzuckerspiegels negativ beeinflusst, indem es die Wirkung des Darmhormons GLP-1** vermindert.

Nach den Resultaten der aktuellen Studie sank bei Trägern der TCF7L2-Risikovariante das Diabetes-Risiko pro täglich konsumierter Tasse Kaffee um bis zu ca. 7 Prozent. Dagegen wirkte sich der Kaffeekonsum bei Menschen ohne Risikovariante weder positiv noch negativ auf das Diabetes-Risiko aus.

„Unsere Ergebnisse lassen auf die Stoffwechselmechanismen schließen, die dem von uns beobachteten Zusammenhang zwischen Kaffeetrinken und dem Diabetes-Risiko zu Grunde liegen“, erläutert Erstautor Alexandros Heraclides. „So lassen sie annehmen, dass Kaffee die Ausschüttung des Darmhormons GLP-1 stimuliert und so den negativen Effekt der TCF7L2-Risikovariante auf die Wirkung des Hormons ausgleicht“, so der Forscher weiter. Natürlich seien aber noch weitere Studien notwendig, welche die bisherigen Ergebnisse untermauern.

„Wer Kaffee gut verträgt und ihn gerne trinkt, kann dies auch weiterhin tun“, ergänzt Matthias Schulze, der am DIfE die Abteilung Molekulare Epidemiologie leitet. „Die Ergebnisse unterstützen die positiven Gesundheitseffekte, die für den Kaffeekonsum, insbesondere zum Diabetes-Risiko, beobachtet wurden. Andersherum sollten sich Menschen nicht genötigt fühlen, mit dem Kaffeetrinken zu beginnen. Das Diabetes-Risiko lässt sich auch durch ein gesundes Körpergewicht, den Verzicht auf Rauchen, wenig Fleisch, regelmäßigen Vollkornverzehr und körperliche Aktivität erheblich beeinflussen“, erklärt der Ernährungswissenschaftler weiter.

Literaturangabe: The InterAct Consortium. Investigation of gene-diet interactions in the incretin system and risk of type 2 diabetes: the EPIC-InterAct study. Diabetologia 2016; DOI: 10.1007/s00125-016-4090-5


Hintergrundinformationen

* Mit Ausnahme der Keimzellen verfügt jede menschliche Zelle über einen doppelten Chromosomensatz. Das bedeutet, dass die meisten Gene in der Regel doppelt vorliegen, dies gilt auch für das untersuchte TCF7L2-Gen. Dabei können die Gene unterschiedlich ausgeprägt sein und in verschiedenen Varianten vorliegen, die sich geringfügig in der Basensequenz des Erbguts (DNA) unterscheiden. Die verschiedenen Ausprägungsformen von Genen werden auch als Allele bezeichnet. Treten auf den beiden Chromosomen am betreffenden Genort zwei unterschiedliche Allele eines Gens auf, spricht man von Heterozygotie. Treten zwei gleiche Allele auf, spricht man von Homozygotie. Auch das TCF7L2-Gen tritt in verschiedenen Varianten auf, wobei einige mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert sind. So liegt die untersuchte TCF7L2-Gen-Variante rs12255372 in zwei Formen vor, der G- und der T-Variante, wobei letztere mit einem erhöhten Typ-2-Diabetes-Risiko assoziiert ist. Das „G“ steht für die Base Guanin, die in der T-Variante an einer bestimmten Position der DNA-Kette gegen die Base Thymin (T) ausgetauscht ist. Aufgrund des doppelten Chromosomensatzes tragen Menschen also entweder zweimal die G-Variante (GG-Typ), zweimal die T-Variante (TT-Typ) oder sie sind Träger beider Genvarianten (GT-Typ). Nach Ergebnissen der aktuellen Studie hatten heterozygote Träger (GT-Typ) im Vergleich zu homozygoten Trägern der G-Variante (GG-Typ) ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko an Diabetes zu erkranken, während homozygote Träger der Risikovariante, das heißt der T-Variante (TT-Typ), ein um ca. 60 Prozent erhöhtes Diabetes-Risiko aufwiesen.

** Glucagon-like peptide-1 (GLP-1): Im Darm setzen sogenannte L-Zellen GLP-1 frei, nachdem sie durch Kohlenhydrate, Eiweiße oder Fette stimuliert wurden. Das Peptidhormon hat eine Halbwertszeit von weniger als zwei Minuten, stimuliert die Insulinfreisetzung und hemmt gleichzeitig die Ausschüttung des hormonellen Insulingegenspielers Glucagon. Beides führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel sinkt. Zudem weisen Untersuchungen darauf hin, dass es die Insulinempfindlichkeit der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wiederherstellt und gleichzeitig ihrem Absterben entgegenwirkt. Darüber hinaus verzögert es die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm und wirkt sättigend (Quelle: Wikipedia).

Das InterAct Consortium ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Studie, welche die EPIC-InterAct Studie zur Untersuchungen von Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes initiiert haben. Mehr Informationen finden Sie unter http://www.inter-act.eu. Sie ist damit ein Teil der EPIC-Studie. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit mehr als 500.000 Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Bevölkerungsstudie untersucht die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DifE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr Informationen unter http://www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro. Mehr Informationen unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

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